Mit dem Start des Schulunterrichts beginnt für meine Schwester acht Stunden konzentriertes Arbeiten. Ihr Jahrgang ist der zweite im Ganztag an der Schule. Doch das anfangs gut klingende Konzept hat sich als ungeeignet herausgestellt. Denn ihr acht Stunden langer Schultag ist für ein elfjähriges Mädchen viel zu lang.
Der Wecker klingelt kurz nach 6 Uhr. Um 7.30 Uhr startet der Unterricht. Meine Schwester und ich haben Glück, da wir nur zehn Minuten von unserer Schule entfernt wohnen. Andere Kinder, die außerhalb wohnen, müssen morgens Busfahrten von einer Dreiviertelstunde auf sich nehmen und stehen noch früher auf als wir.
Die Lernzeiten, in denen eigentlich Hausaufgaben und restliche Schularbeiten erledigt werden sollen, erfüllen ihren Zweck nicht. Meine kleine Schwester kommt um 15.30 Uhr von der Schule nach Hause, kümmert sich um die übrig gebliebenen Hausaufgaben und braucht durchschnittlich eine halbe Stunde. Müde und schlecht gelaunt begibt sie sich ungefähr um 16.15 Uhr für eine Stunde ans Lernen und so endet ihr Arbeitstag um 17.15 Uhr. Für Freizeit und Freunde bleibt häufig nur wenig oder gar keine Zeit.
Die durchschnittlichen Arbeitsstunden pro Tag betragen bei Erwachsenen circa acht Stunden. Wenn man jedoch die Arbeitsstunden meiner elfjährigen Schwester berechnet, sind das mehr als neun Stunden. Der Tag endet für sie zwischen 20 und 21 Uhr, sie geht ins Bett, schließt die Augen und schläft nach ein paar Sekunden tief und fest.
Ist das wirklich der perfekte Alltag eines jungen Mädchens? Meiner Meinung nach nicht und meine Schwester kann bestätigen – nach ihrer Überzeugung auch nicht.
Vivian May, Erkelenz, Cornelius-Burgh-Gymnasium